Freitag, 30. August 2013

LP-Review: Layla Zoe – The Lily


Info
Bandname:  Layla Zoe
Albumname:  The Lily
Musikrichtung:  Blues / Rock
Erscheinungsjahr:  2013
Label:  Cable Car Records
Herkunft:  Kanada
Facebook:  www.facebook.com/laylazoefanpage
Website:  www.layla.ca

Eigentlich kann man The Lily schlicht als perfekte Symbiose beschreiben. Denn ähnlich wie auf dem Vorgänger Sleep Little Girl arbeitet LAYLA ZOE erneut mit HENRIK FREISCHLADER zusammen und dabei verschmilzt die kanadisch-deutsche Verbindung zu einem sagenhaften Ohrenschmaus. Dieses Album als wahre Perle zu titulieren, ist mehr als zurückhaltend formuliert. Das ist Musik, die nicht nur primär das Ohr erfreut sondern auf eine ehrliche Art und Weise Herz und Seele berührt. Sie nennt sich selbst „Firegirl“ und wer diese Stimme einmal gehört hat, der wird erkennen warum.
Mir ist jetzt schon klar, dass mein Geschreibsel in diesem Review die Pracht von The Lily keineswegs auch nur annähernd angemessen würdigen kann. Ich werde es dennoch versuchen und hoffe, nicht an den Superlativen zu ersticken.

Kaum hat die Plattennadel die Einlaufspur überwunden, schon übernimmt LAYLA ZOE das Zepter mit einer a cappella Darbietung des Gospel-Traditional „Glory, glory, hallelujah“. Sie legt damit gleich zu Beginn des Albums die Messlatte verdammt hoch und bezaubert mit ihrer warmen facettenreichen kräftigen Stimme. Man wird aber keineswegs seicht sakral eingelullt sondern hier ist richtig Feuer im Gesang. Dieser Einstieg ist gelungen und macht zugleich klar, dass LAYLA ZOE nicht zwangsläufig auf Mitmusiker angewiesen ist, um dem Zuhörer Begeisterungsschauer über den Rücken zu jagen. Was für eine Stimme!

Nichtdestotrotz tritt nun HENRIK FREISCHLADER mit Unterstützung von Moritz Fuhrhop als Band ins Geschehen. „In her mother’s house“ ist eine locker beschwingte Nummer, die unbeschwert zum Mitzappeln anregt. Die Instrumentierung ist transparent und steht in Punkto Gefühl LAYLA ZOE‘s Gesang in nichts nach. Deshalb krallt sich der Song schon nach wenigen Takten im Gehörgang fest. Die Produktion ist herausragend organisch und authentisch, ein Fest für den audiophilen Genießer. Hier wird man unweigerlich vom bloßen Zuhörer zum Teil des Ganzen.

Ein Bluesrocker der feinsten Art, zerbrechlich und doch energiegeladen, ertönt mit „Green eyed lover“. Meine Kinnlade macht es sich schon mal auf dem Teppich gemütlich. Egal auf was man sich konzentriert, man wird mitgerissen und möchte in Begeisterungsstürme ausbrechen. HENRIK FREISCHLADER brilliert auf jeder Ebene. Gefühl, Phrasierungen im Klang, treibende Wucht in kurzen aufschwellenden Momenten, herrlich. LAYLA‘s Stimmgewalt und Wandelfähigkeit scheint ebenso nicht von dieser Welt zu sein. Aber das Herausragende ist, obwohl sich hier alle Beteiligten wahrlich austoben und entfalten, lässt man dennoch genügend Raum für den jeweils Anderen. Wer von diesem Song nicht überzeugt wird, kann eigentlich nur taub sein.

Während meine Gänsehaut langsam zurückgeht, bewegen wir uns mit „Gemini heart“ in schlürfenden Klammerblues-Gefilden. Gitarre und Gesang im zauberhaft schmachtenden Dialog auf schwellendem Orgelteppich, während LAYLA ZOE emotional ihr Innerstes nach außen kehrt. Auch dieses Stück wird mit so viel Feingefühl und Raffinesse intoniert, schlicht und einfach ergreifend!

Bei „Never met a man like you“ dürfte die Wolke von STEVIE RAY VAUGHAN gehörig wackeln, denn das Klanggerüst dieses rockigen Shuffle-Stampfers zwingt einem die Assoziation förmlich auf. Dieses Lied pumpt gewaltig Strom in die Hütte. Gewürzt wird die Sache mit feinen kleinen rhythmischen Spielereien und pfeilschnellen Licks, die zusätzlich Spannung erzeugen und genretypische Grenzen aufbrechen. Es wäre eine Verschwendung sollte „Never met a man like you“ nicht in den Konzertsälen dieser Erde erschallen.

Wieder rocklastig doch nicht ganz so ungestüm präsentiert man „Why you so afraid“. Obwohl dieser Nummer auch genügend Feuer beiwohnt, lässt man dabei nichts anbrennen. Muss ich wirklich noch extra erwähnen, dass LAYLA ZOE wieder alle Register zieht und auf der ganzen Linie mehr als überzeugt?

Eine getragene sphärische Welt wird mit „Father“ betreten. Dabei wird der Hörer durch verschiedenste emotionale Ebenen und Klangdimensionen geführt. Licht und Schatten mit allen Zwischenstufen, sozusagen. Einer der Sorte Songs, die energiegeladen packend und zugleich zutiefst zerbrechlich traurig sind. LAYLA ZOE singt so leidenschaftlich, dem kann man sich nicht entziehen. Hier habe ich wirklich den Eindruck, die Seele des Stückes greifen zu können. Eindrucksvoll in all seinen dynamischen Facetten. Hier liegen Freud und Leid nah beieinander und werden unbeschreiblich berührend in Tönen zum Leben erweckt. Ein wahres Monument von einem Song.

In getragener Stimmung geht es im Titelstück „The lily“ weiter. Elegant wie Nebelschwaden über die Felder ziehen, schwebt diese fragile Nummer mit ätherischer Orgeluntermalung dahin. Da kann man sich richtig fallen lassen und durch LAYLAs samtiger Stimme aufgefangen werden. Die Gitarre haucht ihre Akzente wohl dosiert hinzu. So etwas nenne ich fantastisch umgesetzte Klangkunst.

Genug der Zurückhaltung, es wird mit „I choose you“ wieder deutlich rockiger. Im Mittelteil kommt ein entspanntes Jamfeeling auf, der Bass pulsiert prägnant und Henrik lässt die Gitarre streckenweise von der Leine. Ich habe die ganze Zeit schon das Gefühl, dass The Lily so klingt, als wäre es direkt im Studio live von einer Band eingespielt. Was ja so nicht der Fall ist. Da waren echte Könner am Werk, aber für Kenner des Freischladrigen-Schaffens dürfte das keine Überraschung sein. Man denke nur allein an das 2009er Album Recorded By Martin Meinschäfer. „I choose you“ steht zwar in deutlichem Kontrast zum vorherigen Titelstück, ist aber damit genau richtig im Fluss des Albums positioniert.

Verhalten gestaltet sich der Einstieg zu „They lie“. Zarte Gitarre, dann kommen Bass und Schlagzeug hinzu, bevor der ergreifende Gesang die Sache zur Perfektion treibt. Im weiteren Verlauf nimmt das Stück an Energie und Schwung zu, um dann zwischenzeitlich immer wieder auf eine minimalistische Ebene zurückzufallen. Wiedermal ein wunderbares Wechselspiel der Emotionen. Die Gitarre darf sich nochmal so richtig aufbäumen, ohne unkontrolliert auszubrechen. Die Stakkato-Einstreuungen sorgen für zusätzlichen Biss, ebenso der facettenreiche Gesang. Ich konnte bisher auch noch keine Klangfarbe im reichhaltigen Stimmspektrum der LAYLA ZOE finden, die mich nicht bis ins Mark berührt. Diese Frau hat viel mehr Aufmerksamkeit und Respekt verdient, als ihr bisher zuteil wird. Gleiches gilt im Grunde auch für HENRIK FREISCHLADER, der nicht nur durch seine Fertigkeiten an diversen Instrumenten glänzt sondern auch LAYLA ZOE eine ganze Palette an großartigen Songs auf die Stimmbänder gezimmert hat. Getreu der Devise „Never change a winning team!“ hoffe ich sehr darauf, dass The Lily noch längst nicht das letzte gemeinsame Album ist! Mehr davon, unbedingt!

Das Ende des regulären Albums bildet die Hommage an NEIL YOUNG „Hey, hey, my, my“. Eine gelungene lebhafte und energiegeladene Interpretation bei der Henrik die Gitarre schön rotzig röhren lässt. Das macht Freude. Dreckiger bietet es nur der Altmeister selbst mit seinem urigen Gitarrensound, vor allem wenn er mit CRAZY HORSE kooperiert. Trotzdem muss sich LAYLA ZOE mit ihrer Version nicht dahinter verstecken und bietet sogleich den Beweis, dass der Rock ´n´ Roll keinesfalls sterben wird! Nicht so lange es noch Künstler wie sie und HENRIK FREISCHLADER gibt, die ihn nicht nur am Leben erhalten sondern beständig Neues einhauchen.

Während der CD-Käufer nun bereits zum zweiten Durchlauf des Albums ansetzen kann, hat der Vinyl-Genießer noch einen exklusiven Bonustrack vor sich.  Dabei handelt es sich um eine weitere Covernummer „I’d rather go blind“. Davon gibt es ja mittlerweile unzählig viele Interpretationen. Die erste Aufnahme erfolgte im Jahre 1967 durch Etta James und seither haben sich Viele an diesem Stück versucht. Diese Live-Version von LAYLA ZOE gehört zweifelsohne zu den gelungenen Aufführungen. Ein würdiger harmonischer Abschluss zu einem ganz großartigen Album.

Fazit:
Obwohl The Lily bereits das fünfte Studioalbum von LAYLA ZOE ist, stolperte ich doch erst kürzlich und ganz zufällig über diese sensationelle Stimme und prompt katapultiert sie sich mit ihrem aktuellen Album verdient in meine Favoriten-Liste der Sängerinnen.
Es ist unglaublich viel authentisches Gefühl in ihrem Gesang, den sie so variabel einsetzt. Das geht viel tiefer als nur unter die Haut. Jedes der Stücke begeistert mich auf dem Album, welches so vielschichtig und doch homogen gestaltet ist. Selbst der Spannungsbogen, der mit der Titelreihenfolge erzeugt wird, könnte besser nicht gewählt sein.
Die Produktion ist sensationell. Warm, organisch, transparent, dynamisch und wird der künstlerischen Darbietung damit mehr als gerecht. In Summe erhält man ein grandioses Album, was meilenweit aus der Veröffentlichungsflut heraussteht.
Egal wie oft ich es schon gehört habe, es gibt keine Schwachpunkte oder nur die winzigste Kleinigkeit, an der man berechtigt Kritik üben könnte. Schlicht und einfach perfekt. Ich bin über alle Maßen zufrieden, hoch erfreut und eigentlich sprachlos. Ich lege The Lily jedem nahe, der ehrliche, herausragend gute handgemachte Musik mit Sinn, Herz und Verstand mag.

Hörtipps: ALLES!!

Bewertung: 10 von 10 Punkten

Tracklist:
01.Glory, glory, hallelujah
02.In her mother’s house
03.Green eyed lover
04.Gemini heart
05.Never met a man like you
06.Why you so afraid
07.Father
08.The lily
09.I choose you
10.They lie
11.Hey, hey, my, my
12.I’d rather go blind [live] (Bonustrack – vinyl only)

Besetzung:
Layla Zoe – Lead & Backing vocals
Henrik Freischlader – Guitars, Bass, Drums & Backing vocals
Moritz Fuhrhop – Hammond Organ

Für die Freunde der physischen Tonträger:
Erschienen ist das Album auf Vinyl (180g) und als Digipak-CD.



Mittwoch, 28. August 2013

LP-Review: Philip H. Anselmo & The Illegals – Walk Through Exits Only

Info
Bandname:  Philip H. Anselmo & The Illegals
Albumname:  Walk Through Exits Only
Musikrichtung:  (Bizarre) Metal
Erscheinungsjahr:  2013
Label:  Housecore Records / Season of Mist
Herkunft:  USA
Facebook:  www.facebook.com/Philipillegals
Website:  www.philanselmo.com 

Immer in Bewegung bleiben, scheint so bisschen das Motto von PHILIP ANSELMO zu sein. Trotzdem er fleißig auf Konzertreisen unterwegs ist und nebenbei mal eben ein eigenes Horrorfilm- und Musikfestival auf die Beine stellt, hat er trotzdem Zeit gefunden neben allerlei anderen musikalischen Verpflichtungen, sein erstes Soloalbum aufzunehmen. Dieses habe ich heute auf dem Seziertisch liegen und freue mich schon sehr darauf. Denn was der gute Mann hier verzapft hat, trifft genau meinen Nerv. Ein Album das Seinesgleichen sucht! Der Schlüssel ist im Prinzip nur (wie so oft) die eigene Erwartung. Wer hofft, dass Herr Anselmo sich hier in Eigenzitaten verliert und Altbewährtes mit Blick auf Akzeptanz und Verkaufszahlen nur aufwärmt, dem sei der Zahn gleich gezogen! Natürlich findet man hier und da vereinzelt kleine Färbungen, die zeigen wo der Mann musikalisch herkommt. Dabei bleibt es aber auch! Wer sowieso völlig unbeleckt an das Album herangeht, weil er bisher keinerlei Berührung zum bisherigen Schaffen des Künstlers hatte, umso besser. Ich gehöre zwar nicht zu dieser Gruppe, habe mich aber genau mit dieser Einstellung Walk Through Exits Only hingegeben.

Der Einstieg präsentiert sich mit „Music media is my whore“ als zähfließender schwerfälliger Klumpen bei dem uns PHILIP H. ANSELMO erst einmal eindringlich die Hausordnung vergegenwärtigt. Dieses Stück sollte man also eher als einstimmenden Prolog betrachten bevor die Reise so richtig losgeht, dann gibt es aber kein Zurück mehr.

Rumpelnd holprig springt einem „Battalion of zero“ ins Gesicht. Phil schreit und keift sich die Seele aus dem Leib, während die Band pulsierend wirbelnd ein bleischweres Fundament gießt. Tempo- und Rhythmuswechsel gibt es am laufenden Band. Nichts mit Easy-Listening!
Noch eine ganze Kante energischer tönt „Betrayed“. Kaum hat sich das Ohr orientiert und will sich festhaken, reißt man alles wieder auseinander und schiebt es in andere Richtung. So wirr sich das im ersten Moment anfühlen mag, ist es aber nicht. Es ist trotzdem griffig und durchaus greifbar, man muss sich nur drauf einlassen. Eine skurrile Klangcollage bricht unvermittelt hervor und ebnet den Weg für „Usurper bastard’s rant“.

Das Tempo zieht an und man sieht sich mit einem weiteren energiegeladenen Monster konfrontiert. Knallige Thrash-Riffs mit häufigem Pinch-Harmonics –Einsatz. Zwischenzeitlich scheint sich alles zu einem unentwirrbaren Netz zu verweben und bleibt trotzdem nachvollziehbar. Stimmlich nutzt Phil einmal mehr sein weites Spektrum an Klang- und Zornfarben. Dynamisch, vielschichtig und alles andere als gewöhnlich, schlicht herrlich!

Irrwitzige Breaks und Leads, hypnotische Grooves  im stets kontrollierten Chaos hält „Walk through exits only“ bereit.  Dieser Song ist der Oberhammer! Es gibt dabei so viel zu entdecken und erfahren, dass man gar nicht anders kann, als gebannt zuzuhören. Was einem hier an verschiedensten Elementen geboten wird, verarbeiten andere auf kompletten Alben.  Dabei wirkt es zu jeder Zeit organisch und nicht konstruiert. Eine Gratwanderung! Diese authentische Wut, die Phil Anselmo dem Hören entgegenschleudert, weist sämtliche Shouter der unzähligen Core-Kapellen in die Schranken, die nur kläglich versuchen  wirklich aggressiv zu klingen. Ihm macht so schnell in dieser Disziplin keiner was vor, seine Wut hat Substanz. „I walk through exits only – because I can“. Exakt!

Keine Verschnaufpause, denn „Bedroom destroyer” nimmt an Intensität nicht ab. Der Song prescht nach Vorn und bietet einen wunderbar holprigen Refrain, den man so nicht erwartet und der trotzdem irgendwie perfekt passt. Wer also die Nase voll hat von den ewig gleichen Songs von der Stange, wird hier bestens bedient. Im Ausklang wird es schön schwebend sphärisch, welch  krasser Gegensatz. Aber davon gibt es auf Walk Through Exits Only zum Glück genügend.

„Bedridden“ kommt im ersten Moment etwas zurückhaltender und eher groovelastiger daher. Wirbelt aber im Verlauf wieder genügend Staub auf. Dabei gibt es auch längere Passagen, bei denen man in Ruhe bangen kann, ohne Sorge zu haben, dass einem die Halswirbel in alle Himmelsrichtungen davonfliegen. Kompaktester Song des Albums, deswegen aber nicht schlechter als der Rest!

Unvermittelt knallt einem „Irrelevant walls and computer screens“ um die Ohren. Wieder versprüht man den Hauch des Irrationalen, ein Labsal für meine Ohren. Breaks, Groove, Wucht und Energie ohne Ende. Phil Anselmos Darbietung lässt für Genießer keine Wünsche offen und authentischer geht’s sowieso nicht. Man ist so mitgerissen von seinem ehrlichen Zorn, dass man geneigt ist auf die Frage im Text: „Does one and one make three?“ unterwürfig automatisch mit „Ja“ zu antworten. Das Stück schwenkt abrupt um und entfaltet sich zu einer weiteren grotesken Klangcollage, die den Charakter eines stotternden Flugzeugmotors im Sinkflug innehat. Doch auch das verstummt plötzlich und lässt einen in einem Schwebezustand zurück und allmählich fällt man immer tiefer ins Klangnirwana.

Fazit:
Es ist schwierig zu beschreiben, was einen bei diesem Album erwartet, denn mit bloßen Worten kann man Walk Through Exits Only nicht gerecht werden. PHIL ANSELMO liefert hier einen wunderbar bizarren Wutbrocken ab, der sich in 8 garstige Teile gliedert und sich deutlich von der Masse abhebt. Nichts für Nebenbei, dieses Album will bewusst genossen werden! Die Stücke sind zu jeder Zeit wohltuend authentisch und packend. Es gibt keine Songs im klassischen Strickmuster oder sonstige anbiedernd gefällige Momente und vorhersehbar ist es ebenfalls nicht. Sicherlich mag das den einen oder anderen im ersten Moment etwas ratlos zurücklassen, aber das hängt nun mal auch von den eigenen Hörgewohnheiten ab.

Ich persönlich finde das Album sehr zugänglich und erquickend frisch trotz seiner Sperrigkeit. Eine wohltuende Abwechslung zu den oftmals sehr gleichförmigen Veröffentlichungen anderer Szenevertreter.

Das Einzige was man bemängeln könnte, ist die überschaubare Spielzeit von guten 40 Minuten. In denen präsentiert man jedoch jede Menge brachiale Atmosphäre und wahre Emotionen, verpackt in einem organischen Klanggerüst.
Ein Wutausbruch par excellence - kein Soundtrack zum Kindergeburtstag!

Hörtipps: ALLES und das in Dauerrotation – Nebenwirkungen ausgeschlossen!

Bewertung: 10 von 10 Punkten

Tracklist:
01.Music media is my whore
02.Battalion of zero
03.Betrayed
04.Usurper bastard’s rant
05.Walk through exits only
06.Bedroom destroyer
07.Bedridden
08.Irrelevant walls and computer screens

Besetzung:
Philip H. Anselmo – Voice and handmade special FX
Marzi Montazeri – Axes and landscrapes
Jose Manuel Gonzalez – Drumbeats
Bennett Bartley – GWB bassdose

Für die Freunde der physischen Tonträger:
Erschienen ist Walk Through Exits Only als Digipak-CD und auf Vinyl (transparent green vinyl, clear splattered vinyl und grey/red vinyl)



Freitag, 23. August 2013

CD-Review: Annihilator – Feast

Info
Bandname:  Annihilator
Albumname:  Feast
Musikrichtung:  Thrash Metal
Erscheinungsjahr:  2013
Label:  UDR GmbH
Herkunft:  Kanada
Facebook:  www.facebook.com/pages/Annihilator/9614139730
Website:  www.annihilatormetal.com

Nach 3 Jahren Tonträger-Abstinenz steht jetzt Album Nummer 14 in den Startlöchern. Ich muss gestehen, dass ich bei jeder anstehenden Veröffentlichung der Kanadier meinen Blick zuerst auf die Besetzungsliste werfe. Der Grund? Naja, das Personalkarussell dreht sich bei ANNIHILATOR in schöner Regelmäßigkeit und tief im Inneren hoffe ich nun seit Längerem schon darauf, dass die Fliehkräfte Sänger/Gitarristen Dave Padden mal erfassen. Er ist zwar kein abgrundtief schlechter Sänger, aber auch nach 5 Studioalben in knapp 10 Jahren kann ich mich einfach nicht mit seinem Gesangsstil anfreunden. Für mich bleiben Joe Comeau, Coburn Pharr oder durchaus auch Jeff Waters selbst, die Stimmen, die ideal zu ANNIHILATOR passen und kräftige Akzente gesetzt haben.

Mal abgesehen vom Gesang, kränkelte die Band zuletzt auf ihrem selbstbetitelten 2010er Werk außerdem an einer gewissen Eindimensionalität. Wohingegen dessen Vorgänger Metal aus dem Jahre 2007 eher die Charakteristik eines Samplers (aufgrund der klassentreffenartigen Gastbeiträge) aufwies. Das war ebenfalls nicht so überzeugend.
Kurz gesagt, die Erwartungen sind bei mir zurzeit nicht sonderlich hoch. Eigentlich kein schlechter Ausgangspunkt, denn wer nichts erwartet wird nicht enttäuscht! Oder doch?

Jeff Waters legt mit straffem Riffing vor und präsentiert im weiteren Verlauf eine ANNIHILATOR-typische Thrash-Abrissbirne. Guter Albumeinstieg, jedoch keine Überraschung. „Deadlock“ ist also gewohnt solide Kost, aber mehr auch nicht. Gesanglich geht der Song größtenteils in Ordnung, kann man ertragen. Hier und da streut Jeff feine Leads und Licks ein, der Mann hat’s einfach drauf und für mich der Grund, warum ich trotz diverser Kritikpunkte weiterhin die Entwicklung der Band verfolge.

Mit einem leichten Hang zur Dissonanz ertönt das klirrende Intro zu „No way out“. Sowas wirkt immer irgendwie interessant, da dissonante Tonverbindungen von Hause aus eine gewisse Spannung mitbringen. Da wird das Ohr im Gegensatz zur gewohnten Tonalität wenigstens gefordert. Schnell wandelt sich das Stück wieder zu einem geläufigen flotten Riffmonster, wenn auch nicht so biestig wie der Opener. Es geht relativ schnell wieder vom Tempo runter. Jetzt wird’s gesanglich für mich schon etwas kritisch. Dave Padden rauscht hierbei voll über meine Toleranzgrenze. Mal abgesehen davon, dass die rhythmische Darbietung des Gesangs vielen anderen Songs der Kanadier ähnelt, was allein schon traurig ist, aber wenn er dann noch versucht melodisch zerbrechlich zu singen, hört für mich alles auf. Das klingt so künstlich (ich will gar nicht wissen, was da am Rechner noch alles gefummelt wurde). Selbst die stark aggressiven Passagen kann ich ihm nicht abnehmen, da fehlt einfach Substanz in der Stimme. Alles was im Zwischenraum passiert, kann man halbwegs gelten lassen. In Summe kein besonders gelungener Song.

Etwas groovebetonter tönt „Smear campaign“. Nicht sonderlich originell, das Positivste bleibt auch hier die Gitarrenarbeit. Nein, die Nummer bügelt mir auch nicht die Falten aus der verknitterten Stimmung.

„No surrender“, ein weiterer Standard aus dem Hause ANNIHILATOR? Ja und nein, denn dabei warten partiell kleinere Ausflüge in den Funk-Sektor. RED HOT CHILLI PEPPERS werden einige sagen, als Vergleich sicherlich legitim, aber ein Patent auf Funk hat diese Kapelle ja nun wahrlich nicht. „No surrender“ ist ein interessanter Farbklecks und auch hier brilliert Jeff Waters ein weiteres Mal, aber abgesehen davon kein Grund zum Ausflippen.

Thrash ´n´ Roll wäre eine gute Überschrift für „Wrapped“. Als Gastsänger hat man dabei Danko Jones verpflichtet, was das Lied aber keinen Meter weiterbringt. Der Beitrag ist kein Gewinn, da Danko Jones seiner Stimme hier mehr Kraft verleihen will, als sie eigentlich von Natur aus innehat. Der nervig hektische Refrain lässt meinen Skip-Tasten-Finger gewaltig zucken. Danke, der Nächste bitte!

Nun ist Balladenzeit. Eine Disziplin, die Jeff Waters und Co in der Vergangenheit schon souverän gemeistert haben. Das unterirdische „The one“ vom All For You -Album möchte ich am liebsten unter den Tisch kehren, wo es eigentlich hingehört. Obwohl dabei die größte Parallele zu „Perfect angel eyes“ mit Dave Padden auszumachen ist und genau das ist der Knackpunkt. Er schmachtet hier so schmalzig, aber am Ende passt das wesentlich besser zu seinem poppig ausgelegten Klargesang. Egal bei welchem Song er diesen einsetzt, kommt bei mir immer die Assoziation zu diversen Pop- und Boygroup-„Sängern“. Überhaupt nicht mein Ding, auch wenn es nicht so schrecklich wie besagtes „The one“ ausfällt. Nichts gegen ruhige Töne und Balladen, aber „Perfect angel eyes“ überzeugt mich nicht. Einfallslose 08/15-Schnulze und von einstigen Volltreffern vom Schlage eines „Phoenix rising“ so weit entfernt wie China von der Demokratie.

Nach kleineren Ausflügen in andere musikalische Gefilde und feine Stilmixe wird nun wieder das volle Brett gefahren. Hier übernimmt Jeff Waters den Gesangsposten, zumindest in den Strophen. Kurzzeitig steht hin und wieder der Bass im Vordergrund und erinnert mich vom Klang her witziger Weise an KISS zu Dynasty-Zeiten, aber das nur als Randnotiz. Obwohl „Demon code“ kein Überflieger ist, gefällt er mir trotzdem ganz gut, da er einige harmonische Facetten bereithält und nicht nur eindimensional vor sich hin rumpelt.

Der Anfang zu „Fight the world“ mit seinen akustischen Gitarren und der hinzukommenden Leadgitarre versetzt mich 20 Jahre zurück zu Set The World On Fire. Kurz darauf entfaltet sich wieder ein typischer Thrasher der neueren Bandgeschichte. Von den Klangfarben her aber recht abwechslungsreich, angenehm melodisch und mit jeder Menge Dynamik ausgestattet. Kann man so stehen lassen und bietet einen guten Querschnitt zum Klanguniversum von ANNIHILATOR.

Das kann ja jetzt wohl nicht ernstgemeint sein?! Der Einstieg zu „One falls, two rise“ ähnelt dem zu „Fight the world“ ja beinahe wie ein AC/DC-Album dem anderen. Lediglich ein paar zusätzliche Effekte wurden auf die Gitarre gelegt. Hier kommt die Melodie durch den Bass ins Geschehen bevor Kollege Padden wieder im Jammermodus die Szene betritt. Alles ganz seicht und entspannt, bevor erneut der Thrash-Hammer schwingt. Es wechseln sich pfeilschnelle Passagen mit stampfenden Streckenabschnitten ab. Stellenweise bringen kleinere Zwischenparts Erinnerungen an die Frühwerke der Band hoch. In den knapp über 8 Minuten Spielzeit fährt man erneut nochmal alles auf, was ANNIHILATOR so zu bieten haben. Vielschichtiger Song, gefällt mir durchaus - trotz des (ja, nochmal Einen drauf!) Gesangs.

Fazit:
Der große Wurf ist der Band mit Feast nicht gelungen. Dennoch ist das Album interessanter geworden als sein Vorgänger und zählt somit für mich zusammen mit Schizo Deluxe zu den besseren Alben der Padden-Ära. Leider ist dieser mit seiner viel zu schwachen und für eine Band, die vornehmlich im Thrash-Sektor ihr Unwesen treibt, völlig unpassenden Stimme, nach wie vor eine absolute Fehlbesetzung. Die größte Waffe im ANNIHILATOR-Kosmos ist und bleibt die grandiose Gitarrenarbeit des Jeff Waters. Was die Produktion anbetrifft, ist mir das im Ganzen einfach wieder zu glatt und steril. Gerade auch der sehr künstliche Schlagzeugsound und das einfallslose, geradlinige Standarddrumming können nicht überzeugen. Man sollte Jeff Waters wirklich mal aus seiner Wohlfühlzone zerren. Fremdes Studio, externer Produzent (vielleicht hat ja Andy Sneap Zeit und Laune) und einen Joe Comeau ans Mikro. Wenn man dann als Band zusammenkomponiert und Jeff Waters sein Songwritingmonopol ein Stück weit aus der Hand gibt, vermeidet man diese offensichtlichen Selbstzitate. So wird das wieder was, versprochen!

Hörtipps: „Deadlock“, „No surrender“, “Demon code”, „One falls, two rise“

Bewertung: 5 von 10 Punkten

Tracklist:
01.Deadlock
02.No way out
03.Smear campaign
04.No surrender
05.Wrapped
06.Perfect angel eyes
07.Demon code
08.Fight the world
09.One falls, two rise

Besetzung:
Jeff Waters: Guitars, Basses, Backing vocals
Dave Padden: Vocals
Mike Harshaw: Drums

Für die Freunde der physischen Tonträger:
Zusätzlich zur Standard-CD gibt es ein 2-CD Digibook (inkl. 3D-Cover und Bonus-CD mit 15 neuaufgenommenen Klassikern) und natürlich auch Vinyl

Donnerstag, 22. August 2013

EP-Review: Grave – Morbid Ascent

Info
Bandname:  Grave
Albumname:  Morbid Ascent
Musikrichtung:  Death Metal
Erscheinungsjahr:  2013
Label:  Century Media
Herkunft:  Schweden
Facebook:  www.facebook.com/GraveOfficial
Website:  www.grave.se

So lange ist die Veröffentlichung des letzten Longplayers der Schweden noch gar nicht her, da serviert man nun in Form der 5-Track EP Morbid Ascent den Nachschlag (oder gar die schlichte Resteverwertung?).

Es handelt sich dabei aber lediglich um 2 tatsächlich neue Songs. Des Weiteren hat man eine Coverversion, einen Remix und eine Neuaufnahme auf Lager. Dies allein zeigt, dass man bei dieser Mini-Scheibe wohl eher die Die-Hard-Fans und Komplettisten im Auge hat, die noch Platz auf ihrem Schrein haben. Für Neueinsteiger ist die EP nur bedingt sinnvoll.
Aber erstmal alles schön nacheinander.

Nach kurzem atmosphärischen Einstieg holzt die Truppe um Ola Lindgren gewohnt souverän los. „Venial sin“ hat einiges an Dynamik zu bieten und transportiert dabei immer ein zartes Maß an unterschwelliger Harmonie. Geht reibungslos in Ohr und Nacken. Im Mittelteil wird es schön zähfließend mit Doom-Einschlag bevor die Gitarre wieder ein treibendes Tempo vorlegt. Gefällt mir gut.

Keine Verschnaufpause, denn „Morbid ascent“ dröhnt ähnlich treibend. Ebenfalls sehr zugänglich ohne anbiedernd zu sein. Das reißt einen mit, ob man will oder nicht. Die zwei Stücke hätten auch problemlos auf Burial Ground stehen können, welches ich eine ganze Ecke besser fand als Endless Procession Of Souls. Sehr genial wird der Schlußteil von „Morbid Ascent“ dargeboten. Das Tempo ist stark gedrosselt und der Song stampft erhaben daher, unterstrichen durch den Einsatz beschwörender Hörner. Welch epische Atmosphäre, herrlich!

Seite Zwei beginnt kompromisslos mit dem SATYRICON Cover „Possessed“, vom fantastischen Volcano Album. Im Prinzip halten sich GRAVE mit großartigen ausgefallenen Eigeninterpretationen des Songs zurück und zerren die Schwarzwurzelnummer nur gehörig durch den Todesbleisumpf. Das scheppert, rumpelt, kracht und poltert, wie sich das für die Schweden gehört. Stellenweise wirkt die Darbietung etwas hektischer als das Original, aber das ist nicht weiter wild. Wer weiß, vielleicht hat die Plattenfirma Druck gemacht. Wir werden es nie erfahren…

Jetzt kommen wir zum Wermutstropfen oder besser zum Fragezeichen. Der Remix zu „EPOS“ ist an der Reihe. Ich stelle mal ganz kühn die Frage, die sich unweigerlich aufzwingt. Wieso? Die klanglichen Unterschiede sind marginal, es entsteht kein anderes Hörgefühl als auf der Albumversion. Das ist wohl nur für ganz hartgesottene Fans interessant, welche die GRAVE-Platten bis ins Mark aussaugen.

Mehr Old-School-Gedonner als bei der Neuaufnahme von „Reality Of Life“ geht nicht. Ursprünglich stammt das Stück vom Sexual Mutilation-Demo und erschien erstmal 1989. Druckvoll peitschender Kracher, mit einer saftigen Portion Groove. Das strapaziert die Nackenmuskulatur gewaltig.

Fazit:
Naja, irgendwie bleibt bei derlei Veröffentlichungen immer der bittere Nachgeschmack des „schnellen Euros“.
Ich persönlich hätte es besser gefunden, wenn die 5 Songs der EP auch wirklich komplett richtige neue Stücke gewesen wären. Coversongs und Neuaufnahmen hätten als Bonustrack zum nächsten regulären Album auch locker ihren Dienst getan.
Die zwei neuen Stücke finde ich beide sehr gut und absolut hörenswert. Aber ob das allein den Kauf der EP rechtfertigt? Entscheidet selbst.

Bewertung: 4 von 8 Punkten

Tracklist:
01.Venial sin
02.Morbid ascent
03.Possessed
04.EPOS (Remix)
05.Reality of life

Besetzung:
Ola Lindgren – Vocals, Guitar
Tobias Cristiansson – Bass, Vocals
Ronnie Bergerstal – Drums
Mika Lagren – Guitar

Für die Freunde der physischen Tonträger:
Erschienen bisher ausschließlich auf Vinyl (black vinyl, orange-transparent vinyl, green vinyl)

Mittwoch, 21. August 2013

CD-Review: Defeater - Letters Home


Info
Bandname: Defeater
Albumname: Letters Home
Musikrichtung: Hardcore
Erscheinungsjahr: 2013
Label: Bridge Nine Records
Herkunft: USA
Facebook: www.facebook.com/defeaterband

Konzeptalben sind ja immer recht schwer zu beurteilende Werke, die ab und an auch vollkommen in die Hosen gehen können. Man denke da nur an das abschreckende Beispiel von JUDAS PRIEST'S Nostradamus (natürlich hier eine vollkommen subjektive Meinung des Autors). Aber ein Novum war es für mich dann doch, dass es eine Band gleich einmal nur mit Konzeptalben versucht. Defeater veröffentlichen ihr mittlerweile drittes Album und jedes einzelne ist Teil einer großen Geschichte, die die Band erzählen will. Das allein zeigt ja schon einmal, wie kreativ die Jungs sein müssen, aber ob es auch musikalisch so interessant wird?

Die Story spielt während des zweiten Weltkriegs und handelt von einer amerikanischen Familie, die mit den Leiden und Verlusten des Kriegs zurechtkommen muss. Jedes Album handelte bisher von einer anderen Person. Während das erste Album Travels noch vom Leben des jüngeren Bruders handelt, dreht sich das zweite Album Empty Days & Sleepless Nights um das des älteren. Letters Home erzählt nun die Geschichte des Vaters, dessen Erleben in Briefform an die Familie geschickt wird. Das Besondere im Vergleich zu den beiden Vorgängeralben ist hierbei, dass die Songs nicht chronologisch sondern entgegensetzt ablaufen, was natürlich ein wirklich interessantes Experiment sein kann.

Das Album beginnt mit dem Song „Bastards“, ein guter Hardcore-Song mit Power und trotz der Shouts viel Emotion. Auch die Freunde der etwas melodischeren Härte sind hier definitiv nicht falsch. Weiter geht es mit „No Shame“, der sich mehr und mehr zu meinem absoluten Höhepunkt der Platte entwickelt. Ein ruhiger Beginn mit Gitarren, die einem einen Schauer über den Rücken jagen, später ein unglaublich cooler Groove während des Refrains, der am Ende sogar von Flageoletts durchzogen wird. Einfach genial und definitiv ein guter Hörtipp!

Der nächste Hörtipp folgt mit „Hopeless Again“ unmittelbar im Anschluss. In diesem Song kommt der eindeutige Hardcore-Schlag zur Geltung, ein Song, bei dem man einfach nicht still sitzen bleiben kann, wenn man auch nur ein klein wenig zum Hardcore tendiert. „Blood in My Eyes“ ist stark an den Post-Hardcore angelehnt; zumindest die Gitarren erinnern immer wieder an dieses Genre, allerdings nur bis der Breakdown kommt, der mit seiner stakkatoartigen Gitarre und den stakkatoartig darüber gelegten Shouts einfach nur großartig komponiert wurde, wodurch der Song einfach zum dritten Hörtipp werden muss.

„No Relief“ zeigt sich wieder von einer (für Hardcore-Verhältnisse) ruhigeren Seite zu Beginn. Auch wenn sie mich nicht so überzeugen kann, wie die drei Vorgänger, ist die Nummer definitiv nicht fehl am Platz. Mit „No Faith“ geht es wieder in die Post-Hardcore-Schiene, wobei mir einmal mehr viele Namen einfallen, die ich hier schon gar nicht mehr erwähnen muss, da ich sie bereits so oft in früheren Reviews genannt habe (vielleicht sagt dem ein oder anderen das Kürzel FFAF ja etwas?).

„Dead Set“ beginnt mit einem unglaublich intensiven Hall auf der Gitarre, was erneut bei vielen für Gänsehaut sorgen wird. Der Song steht für mich als Prototyp für die gesamte Klangfarbe der Platte, denn immer wieder tauchen auf Letters Home Songs auf, bei denen man eine leicht depressive Stimmung ausmachen kann (im Angesicht der Story auch nur wenig verwunderlich), und trotzdem wird das Ganze durch ein paar Hardcore-Elemente hier und da wieder aufgelockert, so dass man wenigstens nicht die ganze Zeit weinend in der Dusche sitzt. Auch wenn das bei „No Saviour“ nicht unbedingt schwer fiele, denn der gesamte Song ist sehr ruhig (trotz Shouts) und gerade zu Beginn wird komplett auf Gain verzichtet. Alles in allem erinnert mich die Nummer aber doch zu sehr an Bring Me the Horizon und fällt dadurch für mich irgendwo vom Rest des Albums ab. Schade, denn sowohl der Anfang als auch der ruhige Aufbau des Songs hätten mit normalem Gesang für einen enormen Überraschungseffekt gesorgt.

Mit „Rabbit Foot“ wird es wieder etwas interessanter. Shouts, die zu Beginn komplett ohne musikalische Untermalung auskommen und ein leicht progressiverer Takt machen jedoch trotzdem keinen Hörtipp. Der folgt dafür mit dem letzten Song des Albums (und dem lyrischen Beginn der Story) „Bled Out“. Der Titel beginnt mit einer dissonanten Gitarre, was bereits viel über die Grundstimmung des Songs aussagt. Von den Gitarren her ist zwar nicht viel los, außer dass ab und an ein Powerchord geschlagen wird, aber meiner Meinung nach ist es genau das, was den Song so intensiv macht; besonders, da am Ende jedes Chords tonnenweise Feedback zu hören ist. Ein absoluter Hit für Freunde der Quietschtöne! Interessanterweise endet das Album mit denselben Zeilen mit denen auch der erste Song aufgehört hat („And all I see is that bastard in me“), was das Album für meinen Geschmack sehr schön abrundet.

Fazit: Mit Letters Home haben Defeater ein sehr interessantes und solides Album veröffentlicht, dass zwar ein paar Durchläufe benötigen wird, sich aber dann gnadenlos in die Gehörgänge bohrt. Dieses Album landet definitiv in meiner Top-5-Hitliste für Konzeptalben.

Hörtipps: „No Shame“, „Hopeless Again“, „Blood in My Eyes“, „Dead Set“, „Bled Out“

Bewertung: 9 von 10 Punkten

Tracklist:
1. Bastards
2. No Shame
3. Hopeless Again
4. Blood in My Eyes
5. No Relief
6. No Faith
7. Dead Set
8. No Saviour
9. Rabbit Foot
10. Bled Out

Besetzung:
Vocals: Derek Archambault
Gitarre, Vocals: Jay Maas
Gitarre: Jake Woodruff
Bass: Mike Poulin
Schlagzeug: Joe Longobardi